Den heutigen Interview-Partner kenne ich schon seit einigen Jahren. Ich bin ursprünglich über DeviantART auf seine Bilder gestoßen, irgendwann haben wir uns dann im Bodetal verabredet und getroffen. Vorhang auf für einen der besten und aktivsten Landschaftsfotografen Deutschlands!
Wer bist du und was machst du?
Mein Name ist Nicolas Alexander Otto, meist kurz einfach nur Alex und ich bin Sprachlehrer und Fotograf mit Schwerpunkt auf Landschaften und Architektur. Darüber hinaus bin ich noch Vocalist der Death Metal Band „Words of Farewell“.
Wie bist du zur Fotografie gekommen?
Im Grunde genommen habe ich schon immer ein wenig mit Fotografie zu tun gehabt weil meine Eltern viel mit meinem Bruder und mir gereist sind, als ich noch ein Kind war und auf diesen Reisen wurde auch immer fotografiert. Ähnlich war es bei meinem Großvater mütterlicherseits. Als ich dann während meines Studiums meinen 2. Aufenthalt in Japan hatte, habe ich die alte Pentax istDL von meinem Vater mit genommen und dort in kleineren Bergdörfern die einzigartige Landschaft fotografiert. In der Zeit war ich schon einige Zeit bei DeviantART Mitglied und bewunderte die wundervollen Bilder von Alexandre Deschaumes, Marc Adamus und anderen. Nach einiger Zeit wollte auch Bilder machen, die eine solche Bildgewalt besaßen und starke Emotionen in den Menschen hervorrufen und damit vielleicht dazu inspirieren die Natur als Ruhepol aufzusuchen, oder ihr Leben anderweitig zu bereichern, mal abzuschalten und nicht in der Maschine verloren zu gehen.
Landschaftsfotografie hatte für mich damals den gleichen Stellenwert wie heute: ein wenig Eskapismus, etwas Weltschmerz und gleichzeitig Hoffnung. Als ich dann 2009 in die Staaten flog, kaufte ich mir zuvor eine Pentax K20D und machte einen 6 Wochen langen Roadtrip um zu fotografieren. Von da an wurde Fotografie immer und immer mehr zu meinem Lebensmittelpunkt.
Wie hast du dein jetziges Fotowissen erlangt?
Ich denke das meiste war einfach Learning by Doing, wobei ich auch viel von all den Landschaftsfotografen mit deinen ich über die Jahre zusammen gereist bin gelernt habe. Dazu kommen gelegentlich das eine oder andere Tutorial und diverse Bücher. Die Grundlage für all dieses hat aber wohl mein Studium geliefert, da ich Medienwissenschaften studiert habe und Fotografie theoretisch, sowie praktisch, ein Teil meiner Ausbildung war. In der Summe also eine bunte Mischung.
Du bist ja auch Teil der Band Words of Farewell. Alles was dazu gehört mit Album produzieren, proben und auf Tour gehen ist mit viel Zeitaufwand verbunden. Wie bekommst du das zusammen mit der Fotografie unter einen Hut?
Meine Band ist ja jetzt nicht so groß, dass wir damit irgendwie Geld verdienen auf das wir angewiesen wären. Dazu kommt, dass wir im Jahr meist nur so um die 5-10 Konzerte geben, da die anderen auch alle noch studieren und Nebenjobs haben. Daher kam es da erst selten zu zeitlichen Konflikten. Allerdings habe ich das Gefühl, dass es in Zukunft mehr wird mit allem. Da wird abzuwarten sein was ich rein finanziell im einzelnen Fall vorziehen muss.
Die Landschaftsfotografie ist bekanntlich mit viel reisen verbunden. Wie finanzierst du deine Fototrips?
Im Moment über meine Arbeit als Sprachlehrer für Deutsch und Englisch (was ich auch studiert habe), dazu kommt, dass ich Artikel schreibe, etwa für das englischsprachige Landscape Photography Magazine oder Travel Photographer Society Magazine. Etwas Geld kommt auch noch durch Bildlizenzen, Workshops für diverse Auftraggeber und Printverkäufe rein. Man sieht, dass man sich schon recht breit aufstellen muss, wenn man Geld mit Fotografie verdienen möchte, um seine Reisekosten aufzufangen.
Gibt es bestimmte Orte an denen du am liebsten fotografierst? Warum grad dort?
Ich denke es geht wohl kein Weg an den üblichen Verdächtigen wie Island, Lofoten oder Färöer Inseln vorbei. Nachdem ich das erste Mal in diesen Ländern war, wollte ich am liebsten sofort wieder zurück, sobald das Flugzeug in Deutschland gelandet war. Aber auch in den Alpen fühle ich mich nach zahllosen Trips fotografisch beheimatet. Allerdings gibt es noch so viel zu sehen, dass ich sicherlich, wenn ich die finanziellen und zeitlichen Mittel habe noch andere Orte erkunden darf, welche mich noch mehr faszinieren und in Beschlag nehmen werden.
Was war dein interessantestes Erlebnis beim Fotografieren?
Ganz sicher bin ich mir nicht, aber das ehrfurchtgebietenste Erlebnis war ein Abend im isländischen Hochland mit meinem guten Freund Philipp Lutz. Wir sind an dem Tag bereits weite Strecken über Schotterpisten gefahren und waren während eines Sandsturms zu Fuß auf dem Weg nach Askja (einer großen Vulkancaldera) um dort zu fotografieren. Allerdings war der Wind so stark, dass Philipp und ich beide einige Male umgepustet wurden und die ganze Zeit unsere Gesichter vor Staub, Sand und Steinchen schützen mussten, während wir uns langsam gegen den Wind über die letzten Schneereste hinweg schleppten. Es war unfassbar kalt und die Nacht brach über uns herein. Als wir an den Vulkancalderas ankamen, war das Licht so gut wie weg und wir konnten die Kameras nicht raus holen, da diese sonst gesandstrahlt worden wären. Alles was wir gemacht haben war eine Handyaufnahme von uns neben dem schweflig dampfenden Krater, nachdem wir in diesen hinabgestiegen waren – auf dem Bild ist eigentlich nichts zu erkennen. Aber das Erlebnis war unglaublich intensiv – wir hatten den Abend zuvor keine Menschenseele gesehen – und waren in absoluter Einsamkeit mitten im Nirgendwo unterwegs. Nachdem wir wieder am Auto waren, flackerten die Nordlichter bereits über uns und wir machten uns auf den Weg eine Stelle zu suchen, wo wir diese über der Wüste Islands fotografieren konnten, was darin resultierte, dass wir bis 5 Uhr morgens quer durch das Ödland streiften. Eine Wahnsinnsnacht.
Welche Locations peilst du dieses Jahr noch an?
Bislang sind noch diverse Sachen angedacht. Ich werde erst mal eine paar Tage mit Philipp in den Alpen wandern, dann fliege ich nach Irland um weiter an meiner Schwarzweiß-Serie zu arbeiten, welche ich über Kollektion Wiedemann verkaufe. Im September geht es dann noch mal nach Island oder Schottland und im Dezember werde ich auf Vorexkursion für 2 Workshops noch auf die Lofoten und nach Teneriffa. Was davon wirklich noch im die Tat umgesetzt wird, bleibt abzuwarten, aber ich hoffe, dass ich das alles organisatorisch, zeitlich und finanziell gestemmt bekomme.
Wo siehst du deine Fotografie in 10 Jahren?
Ich hoffe, dass ich bis dahin einen guten Stand als 50% Quelle meiner Einnahmen habe, sodass ich zusammen mit meiner Band und Redaktioneller oder Lehrender Tätigkeiten eine solide Einkommensquelle habe. Darüber hinaus denke ich, dass ich bis dahin meinen eigenen Stil gefunden habe. Bisher bin ich wohl immer noch etwas am suchen, da ich ein Mensch bin der sehr gerne experimentiert und viele verschiedene Dinge ausprobiert. Wobei ich ohnehin nicht glaube, dass ich jemals einen Stil haben werde, eben aufgrund der Tatsache, dass immer das Gleiche zu machen dann doch irgendwann langweilig wird.
Wenn dich ein Anfänger nach einem Tipp fragen würde, wie er sich stetig verbessern könnte, was würdest du ihm sagen?
Ich würde ihm/ihr sagen, dass das Wichtigste ist, eine solide theoretische Grundlage zu haben und darauf aufzubauen durch praktische Übungen. Letzteres heißt, dass man gerade bei der Reise- und Landschaftsfotografie finanziell auch mal kürzer treten muss, denn reisen – wie du bereits angemerkt hattest – ist unwahrscheinlich wichtig. Also am Wochenende mal 2 Bier weniger, mit dem Rauchen aufhören und kein neues Auto kaufen, sondern besser ein wenig die Welt anschauen und die Kamera dabei nicht vergessen.
Außerdem sollte man sich davon verabschieden, dass Landschaftsfotografie „Urlaub“ ist. Morgens, nach 12km den Berg hoch schlurfen mit 25kg Gepäck und nur 3 Stunden Schlaf aus dem Zelt zu kriechen, bei Temperaturen von unter null Grad, um zu fotografieren ist wirklich anstrengend und schlaucht, sodass man meistens selbst nach einer Woche schon Urlaub vom „Urlaub“ braucht. Aber nur wer gewillt ist ein paar Strapazen auf sich zu nehmen, wird gute Bilder bekommen.
Danke Alex für das Interview! Mehr über ihn und natürlich noch mehr Fotos von ihm findest du auf seiner Internetseite.
Klasse Interview, lieber Matthias. Danke dafür.
Gruß…
Jürgen
Gern 🙂