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Fotografie, Instagram & Dopamin

Wie wichtig ist Instagram für die Fotografie? Wie nutzen wir diese Bilderplattform? Und was hat das mit mentaler Gesundheit zu tun?

Im heutigen Beitrag möchte ich von einem Thema schreiben, welches mich schon eine Weile beschäftigt. Im Prinzip geht es um Instagram und Fotografie, aber im weiteren Sinne zählen auch andere Social Media Kanäle dazu.

Falls du dir nun sagst: Ich nutze ohnehin kein Instagram und Social Media, also lohnt sich dieser Beitrag für mich nicht – es geht weiter unten auch um WhatsApp und die Statusmeldungen.

Wie wichtig ist Instagram für die Fotografie?

Wenn man heute von sozialen Medien spricht, dann ist Instagram für Fotografen einer der bedeutendsten Kanäle. Das bildbasierte Netzwerk hat die Fotografie viel mehr Menschen zugänglich gemacht als es vorher der Fall war. Aber hat es das wirklich? Und wie viel hat Instagram eigentlich mit Fotografie zu tun?

Instagram & Fotografie
Instagram & Fotografie

Fotografie als Druck

Wie betrachten wir Fotografien? Für mich ist ein guter Druck das Endergebnis der Fotografie. Das kann in einer Ausstellung in gerahmter Form sein, aber auch ein Bildband ist denkbar. Wenn ich in eine Fotoausstellung gehe, dann bleibe ich vor jedem Bild stehen und sehe es mir genauer an. Ich versuche meine Gefühle beim Betrachten wahrzunehmen, verfolge aktiv meine Gedanken, schaue mir bestimmte Bildteile genauer an und betrachte die Bildkomposition. Vor jedem Bild stehe ich mindestens 30 Sekunden, vor den meisten Arbeiten noch länger.

Besucher der Ausstellung in der Galerie am Quadrat vor "Cloud Launching Pad"
Besucher der Ausstellung in der Galerie am Quadrat vor „Cloud Launching Pad“

Heutzutage schauen wir uns Fotos oftmals in digitaler Form an. Schon auf Fotoplattformen wie Flickr oder 500px ist die Betrachtungsdauer von Bildern wesentlich geringer als in einer Ausstellung. Wir können eine viel größere Anzahl von Bildern betrachten, also müssen wir auch schneller auswählen, welche davon wir uns wirklich ansehen wollen. Wenn ich wieder von mir selbst ausgehe, schaue ich manche Bilder dort nicht länger als drei Sekunden an. Wenn ich ein Bild interessant finde, dann betrachte ich es genauer und nehme mir dafür mehr Zeit. Insgesamt schaue ich es aber ganz sicher selten so lange an, wie das in einer Ausstellung der Fall wäre.

Instagram hat solche Fotoplattformen zum Teil abgelöst. An sich ist das kein Problem, denn das Internet entwickelt sich ständig weiter. Doch die Plattform selbst und unser Umgang damit sind alles andere als optimal.

Scrolling & kurze Aufmerksamkeitsspanne

Auf Instagram sind wir es gewohnt zu scrollen. Wir schauen uns an, welche neuen Bilder es im Stream gibt. Die Aufmerksamkeitsspanne hierbei sind meist nur wenige Sekunden, bis wir zum nächsten Bild übergehen. Wenn das Bild gefällt, gibt es mit dem doppelten Tippen schnell noch ein Herz. Aber dann wollen wir schnell schauen, was es denn noch so gibt.

Sollten wir den Bildern nicht viel mehr Zeit geben, um sie zu betrachten?

Denk an das zurück, was in mir beim Anschauen eines Bildes in einer Ausstellung vor sich geht. Vieles davon findet auf Instagram überhaupt nicht statt.

Die Betrachtungsgröße deiner Fotos

Die meisten Nutzer von Instagram schauen die dortigen Bilder auf dem Smartphone an. Selbst wenn du ein Handy mit einem großen Bildschirm hast, so ist die Größe der Bilder immer noch winzig. Dadurch gehen viele Details verloren, die wir am PC auf einer Fotoplattform oder in einer Ausstellung ganz anders wahrnehmen würden.

Die Darstellung von Fotos auf Instagram ist vergleichsweise klein
Die Darstellung von Fotos auf Instagram ist vergleichsweise klein

Feedback zu den Bildern

Auf allen Online-Fotoplattformen war es schon immer schwierig, Aufmerksamkeit für die eigenen Bilder zu erhalten, Geschweige denn Kommentare. Unser Verhalten ist aber mittlerweile dahin trainiert, vielleicht ein Like zu vergeben, wenn uns das Bild gefällt und selbst einfach weiter zu scrollen. Ganz selten teilen wir unsere Gedanken zu den Bildern auf Instagram mit.

Instagram Reichweite
Instagram Reichweite

Damit das nicht falsch verstanden wird – ich freue mich, wenn meine Bilder gesehen werden. Und ebenso freue ich mich über die Likes daran. Als Fotograf interessiert mich aber primär, was die Betrachter meiner Fotos darüber denken.

Wie abhängig sind wir von Likes?

Es ist dann vollkommen menschlich, die Qualität der eigenen Bilder anhand der Likes zu bewerten, die das jeweilige Bild erhalten hat. Aber ist diese Zahl wirklich aussagekräftig? Habe ich vielleicht einfach zu einem ungünstigen Zeitpunkt mein Bild hochgeladen? Ist es vielleicht subtiler und in der Flut der ganzen “lauten” Bilder einfach untergegangen, obwohl es sehr gut ist?

Instagram "Gefällt mir"-Angaben
Instagram „Gefällt mir“-Angaben

Ich würde sagen, dass die Anzahl der Likes oder Favoriten so gut wie gar nichts damit zu tun hat, ob ein Bild gut ist. Wie sehr sind wir von diesem oberflächlichen Feedback zu unseren Fotos abhängig?

Verändert Instagram meine eigene Fotografie?

Auf Instagram bekommen Bilder und Videos die meiste Aufmerksamkeit, wenn sie am schrillsten, krassesten und extremsten sind. Das kann beim Fotografen dazu führen, auch solche Inhalte zu produzieren. Doch was ist mit Fotografien, die viel leiser sind und erst nach und nach ihre Wirkung bei längerem Betrachten entfalten?

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass nach fast 20 Jahren Fotografie meine heutigen Lieblingsbilder mich wesentlich tiefer berühren als meine nach Aufmerksamkeit gierenden Fotos der ersten fünf Jahre.

Steuerung der Fotoformate zu quadratisch und Querformat

Ich fotografiere in unterschiedlichen Formaten. Unter meinen Fotos finden sich Hoch- und Querformate, auch quadratische Bilder sind dabei. Während sich Querformat- und quadratische Bilder auf Instagram gut zeigen lassen, kann ich ein Hochformat im 2:3 Seitenverhältnis nicht ohne Beschnitt auf die soziale Plattform hochladen. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige Fotografen deshalb mittlerweile weniger Hochformate fotografieren.

Hochformate mit einem Seitenverhältnis von 2:3 sind auf Instagram nicht ohne Beschnitt möglich
Hochformate mit einem Seitenverhältnis von 2:3 sind auf Instagram nicht ohne Beschnitt möglich

Hier sprechen wir noch nicht einmal von Panoramas mit 2:1 oder gar 3:1 Seitenverhältnis, von denen wegen des kleinen Smartphone-Displays dann kaum noch etwas zu sehen ist.

Weniger inspirierende Vielfalt

Fotografie und Kunst lebt von Vielfalt. Auf Instagram und anderen sozialen Medien bekommt man aber immer wieder das vorgeschlagen, was einem ohnehin schon gefällt. Auf der einen Seite ist es gut, sich in etwas zu vertiefen. Auf der anderen Seite bewegt man sich mit der Zeit permanent nur in diesem festen Umfeld und bekommt kaum noch neue Einflüsse von außen.

Die Instagram Suchfunktion schlägt Content nach eigenen Interessen vor
Die Instagram Suchfunktion schlägt Content nach eigenen Interessen vor

Man soll auf der Plattform bleiben

Fast alle sozialen Medien sind heute so ausgelegt, dass man möglichst viel Zeit auf der jeweiligen Plattform verbringt. Am besten soll man diese Plattform gar nicht mehr verlassen. Das führt dazu, dass man zu viel Lebenszeit dort verbringt.

Hoher Anteil an Werbung

Warum machen Plattformen wie Instagram das? Damit sie mehr Werbung ausspielen können und mehr Einnahmen haben. Die Dichte der Werbung ist mittlerweile immens hoch geworden. In meinem Instagram-Stream ist mitunter jedes dritte Bild Werbung. Auch wenn ich als Online-Marketer verstehe, dass jemand damit Geld verdienen möchte und sogar muss, so empfinde ich diesen Anteil als viel zu hoch.

Anzeige auf Instagram
Anzeige auf Instagram

Stories: Kreativität mit anschließendem Löschen

Bisher habe ich nur von ganz normalen Beiträgen auf Instagram und anderen sozialen Medien gesprochen. Aber es gibt dort ja noch weitere Formate, so zum Beispiel die Stories. Bekanntermaßen sind diese Inhalte nur 24 Stunden online, bevor sie verschwinden.

Instagram Stories
Instagram Stories

Drehen wir die Uhr mal 50 oder 200 Jahre zurück. Stell dir vor, du wärst Fotograf oder Maler. Jemand würde dich ansprechen und fragen, ob du ein kleines Werk erstellen könntest, aber das würde immer nach 24 Stunden vernichtet werden. Würdest du demjenigen nicht einen Vogel zeigen? Wieso solltest du etwas für einen so kurzen Zeitraum kreieren?

Auch wenn mir klar ist, dass nichts meines Schaffens für die Ewigkeit ist, so habe ich doch den Anspruch, dass meine Arbeit vielleicht zumindest ein paar Jahre für andere zu sehen sein wird.

Erwartung an mich als Fotograf, auf Instagram aktiv zu sein

Als Fotograf wird von mir erwartet, dass ich auch auf Instagram aktiv bin. Das gehört ja wohl als Fotograf dazu, oder? So fällt die Meinung über mich etwas ab, wenn ich dort nicht besonders regelmäßig Bilder poste oder gar nicht so viele Follower habe.

Instagram Follower
Instagram Follower

Ähnlich wie die Anzahl der Likes sagt meiner Meinung nach die Anzahl der Follower sehr wenig aus.

Handlungshoheit über die Plattformen, an denen ich arbeite

Über die Jahre haben wir viele verschiedene Online-Plattformen und soziale Medien erlebt, die irgendwann wieder von der Bildfläche verschwunden sind. Kennst du noch MySpace? Oder StudiVZ? Davon spricht heute kein Mensch mehr. Auch Facebook hat zunehmend weniger Nutzer, obwohl es mal das größte soziale Netzwerk der Welt war.

"Gefällt mir"-Angaben Unterschied zwischen Instagram und Facebook
„Gefällt mir“-Angaben Unterschied zwischen Instagram und Facebook

Wenn du nun auf einer dieser Plattformen damals viel Zeit verbracht und vielleicht sogar Geld investiert hast, um viele Follower zu generieren, dann sind diese Follower heute nichts mehr wert. Nach 25 Jahren in der Online-Welt weiß ich, dass kaum etwas davon andauernd ist.

Nur zwei Kanäle haben sich als bleibend herausgestellt. Eine eigene Website und E-Mail. Auch deshalb stecke ich nicht allzu viel Arbeit in soziale Medien und konzentriere mich lieber auf diese beiden Möglichkeiten.

Mal schnell auf Instagram schauen?
Mal schnell auf Instagram schauen?

Mentale Gesundheit & Dopamin

Jedes Mal, wenn du auf sozialen Medien wie Instagram ein Bild anschaust oder eine Nachricht bekommst, wird in deinem Gehirn ein Nervenbotenstoff namens Dopamin ausgeschüttet. Wir haben einen begrenzten Vorrat an Dopamin, es kann vom Körper nur relativ langsam nachproduziert werden.

Dopamin gilt als eine Art Glückshormon, denn bei Ausschüttung fühlst du dich gut. Deshalb macht es Spaß, durch Instagram zu scrollen. Wenn der Ton für eine neue WhatsApp Nachricht erklingt oder die Benachrichtigung dafür aufpoppt, wird eine kleine Menge Dopamin ausgeschüttet. Größere Mengen dieses Stoffes werden beispielsweise auch bei Alkohol- oder Drogenkonsum freigesetzt.

Nach der Freisetzung und dem damit verbundenen Glücksgefühl wollen wir anschließend wieder dieses Gefühl erzeugen. Deshalb scrollen wir weiter auf Instagram oder hoffen auf die nächste WhatsApp Nachricht. Oder schauen die nächste Statusmeldung oder Story.

WhatsApp Statusmeldungen
WhatsApp Statusmeldungen

Das Problem daran: Wir werden süchtig danach. Wenn man dann das Handy beiseite legt, liefert einem die reale Welt erst einmal weitaus weniger Momente für Dopaminausstöße. Deshalb nimmt man dann wieder das Smartphone in die Hand.

Wie ich oben schon geschrieben habe, ist die Menge an Dopamin im Gehirn begrenzt. Wenn du zwei Stunden auf Instagram verbracht hast, dann ist der Vorrat leer. Obwohl es dann merklich weniger Spaß als zu Beginn macht, scrollen wir in Hoffnung auf den nächsten Dopaminausstoß weiter.

Soziale Medien und das Smartphone entleeren unseren Dopaminvorrat
Soziale Medien und das Smartphone entleeren unseren Dopaminvorrat

Wenn du es dann irgendwann schaffst, das Smartphone doch wegzulegen, fühlst du dich danach nicht gut. Egal was du danach tust, es fühlt sich nicht so richtig gut an. Kennst du dieses Gefühl? In diesem Moment ist dein Dopamin-Vorrat leer. Außer warten und keine Dopamin-freisetzenden Aktivitäten machen kannst du nichts tun.

Insbesondere die Ich-will-nichts-verpassen-Methode der nur 24 Stunden aktiven Instagram Stories und WhatsApp-Statusmeldungen funktionieren unheimlich stark dopaminbasiert.

Instagram Stories
Instagram Stories

Diese Mechanismen der sozialen Medien und des Smartphones sind nicht gut für die mentale Gesundheit.

In dem Moment, in dem ich auf Instagram ein Bild hochlade oder eine Story teile, befeuere ich dieses System aber. Ich habe als Fotograf direkten Anteil daran, negativen Einfluss auf die mentale Gesundheit anderer zu nehmen. Will ich das wirklich?

Langeweile ist wichtig für Kreativität

Weißt du noch, wie das als Kind war, wenn man sich mal gelangweilt hat? Es war so ein grauer Tag und man wusste nichts so recht mit sich anzufangen. Irgendwann kam man aber auf Ideen, was man denn so anstellen könnte.

Langeweile ist immens wichtig für die eigene Kreativität. In dieser Zeit kommt man mehr ins Nachdenken. Irgendwann wandern die Gedanken auch mal zur Fotografie. Dann überlegt man sich, was man da so machen könnte.

Langeweile? Das Smartphone ist immer griffbereit...
Langeweile? Das Smartphone ist immer griffbereit…

Als Erwachsene in Zeiten von sozialen Medien kennen wir Langeweile kaum noch. Wenn uns langweilig wird, nehmen wir das Handy zur Hand. Aber genau das hält uns davon ab, diese kreativen Gedanken und Gefühle erst aufkommen zu lassen.

Abschließende Worte

Aus meiner Sicht tut Instagram der Fotografie nicht gut. Es reduziert eine großartige und vielschichtige Form der Kunst und des eigenen Ausdrucks auf viel zu kurze Aufmerksamkeits-Momente. Darüber hinaus hat es ein hohes Potential, die mentale Gesundheit seiner Nutzer negativ zu beeinflussen.

Als Fotograf ist es für mich nicht einfach, hier einen Mittelweg zu finden. Einerseits möchte ich meine Arbeiten zeigen, aber dann auch auf einer passenden Plattform. Ohne die Gesundheit oder Kreativität zu beeinträchtigen.

Wie siehst du das Thema Fotografie und Instagram? Schreib mir in den Kommentaren!

Über mich
Matthias Haltenhof Ich bin Matthias und ich fotografiere seit mehr als 20 Jahren leidenschaftlich gern Landschaften und Architektur. Mehr über mich erfährst du hier. Wenn du keine Artikel mehr verpassen willst, dann lass einfach deine E-Mail-Adresse da und ich schicke dir regelmäßig meine neuen Blogbeiträge.

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45 Gedanken zu „Fotografie, Instagram & Dopamin“

  1. Hallo Matthias,
    vielen Dank für den sehr guten Beitrag. Vieles ist mir so oder ähnlich auch schon durch den Kopf gegangen. Jahrelang hatte ich von meinen Reisen jeweils am Abend eine Auswahl meiner „Tagesbeute“ an Fotos auf WhatsApp-Status eingestellt. Das Feedback aus dem Freundeskreis war durchweg positiv, mit Emojis und Kommentaren. Aber ich habe bei der letzten Reise damit aufgehört. Diese Praxis hatte mich zu sehr auf die Verwendbarkeit im „Status“ fokussiert und am Abend auch zu viel Zeit gekostet. Stattdessen habe ich während der Reise Tagebuch geschrieben und aus Text und Fotos ein kleines Buch für mich gemacht – das ich auch Freunden zeige, aber nicht für die ganze Welt bestimmt ist.

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  2. Hallo Matthias,
    wieder mal ein äußerst interessanter Blog-Beitrag.

    Wenn man bedenkt, dass heute JEDEN TAG mehr Fotos auf Handys, Digital-Kameras etc. geschossen werden, wie in den ersten 100 Jahren der Fotografie insgesamt fotografiert wurden, kann man sich ja schon glücklich schätzen, wenn vom eigenen Foto in den besagten Kanälen im Netz überhaupt Notiz genommen wird.

    Gruß
    Ralf

    Antworten
  3. Ein 24-Stunden-Bild auf Facebook und eins auf Whats App stelle ich jeden Tag ein.

    Bilder von Bamberg, mit fotografischem Blich gesehen.

    Ich bin Gästeführer, also täglich in der Stadt.

    Sehr oft werde ich beim Einkaufen, auf der Straße, in der Kneipe auf meine Bilder und meine „nicht alltägliche Art, etwas zu sehen“ angesprochen. Die mich ansprechen, kenne ich meist nicht.

    Photographie ist ein Medium der Kommunikation für mich.

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