Alles hat seine Zeit

In meiner jetzigen Heimatstadt Halle gibt es einen Friedhof, der ein besonderer Ort für mich ist. Er ist nicht besonders groß und von einer dicken Mauer umgeben. Dieser Friedhof ist nicht allzu weit von Innenstadt entfernt gelegen. Doch jedes mal, wenn ich durch das Eingangstor gehe, bin ich weit weg vom Lärm und der Geschäftigkeit der Stadt. Gewissermaßen ist er wie eine Oase der Ruhe.

Der sogenannte Stadtgottesacker wurde ab 1557 erbaut. Dort sind unter anderem bekannte Persönlichkeiten wie August Hermann Francke (Gründer der Franckeschen Stiftungen) begraben.

Was diesen Friedhof für mich so besonders macht, ist die einmalige Atmosphäre. Es gibt viele außergewöhnliche Grabsteine, Statuen und Figuren, denen man mitunter schon ihr Alter ansehen kann. Aber genau das macht ihren Charakter aus. Auf einigen lagert eine dicke Moosschicht, andere haben sich mit der Zeit schon zur Seite geneigt. Es ist ruhig in diesen vier Wänden und ich kann auch ein Stück Geschichte spüren.

Im letzten Jahr ist der Vater einer Freundin verstorben. Wir haben viel darüber gesprochen und kamen auch darauf, dass der Umgang mit dem Tod in unserer Kultur nicht besonders ausgeprägt ist. Vielfach wird darüber geschwiegen. Wie geht man damit um? Hilft es, vielleicht auch schon vorher darüber zu reden? Welche Unterstützung braucht man?

Jeder hat seinen eigenen Umgang mit dem Sterben. Ich möchte mit dieser Serie auch dazu anregen, dass wir Menschen mehr miteinander über dieses Thema kommunizieren.

Bevor ich diese Serie fotografiert habe, habe ich den Stadtgottesacker viele Male besucht. Nicht von Anfang an war klar, dass ich hier mal fotografieren würde. Die Idee kam erst mit der Zeit auf, nachdem es ein besonderer Ort für mich wurde.

An einem Freitagmorgen war genau das bewölkte Wetter, welches ich mir für die Aufnahmen vorgestellt hatte. Ich konnte mir Zeit nehmen, um zum Friedhof zu gehen und dort zu fotografieren. Die ersten Aufnahmen entstanden außen, weil ich auch zeigen wollte, wie der Friedhof gelegen ist. Als ich durch das Eingangstor ging, war ich wieder in einer anderen Welt.

Wenn ich in den Mauern des Stadtgottesackers bin, dann bin ich aber nicht traurig. Für mich ist es ein positiver und faszinierender Ort, der vor allem Ruhe ausstrahlt. Es erdet mich hier zu sein, versetzt mich in Demut und bringt mich dazu, mich wieder auf die wichtigen Dinge im Leben zu konzentrieren.